Mord ist ihr Hobby

Von fehlender Anteilnahme der Lokalpresse an dem am Rostocker Landgericht stattfindenden Prozess gegen Schubi kann keine Rede sein. Für die Norddeutschen Neuesten Nachrichten (NNN) berichtet regelmäßig ein und dieselbe Journalistin. Dabei verbreitet die Zeitung nicht nur eine voreingenommene und identifizierende Berichterstattung – regelmäßig kommt es zu schlichten Falschmeldungen.

In ihrem jüngsten Artikel, einem Bericht über den 11. Prozesstag gibt die ältere Dame mit dem Faible für spektakuläre Kriminalfälle über weite Strecken Behauptungen eines ehemaligen zeitweiligen Mitgefangenen des Angeklagten in einer Form wieder, die diese als Tatsachen erscheinen lassen. Allerdings geraten der passionierten Gerichtsreporterin selbst dabei die Fakten durcheinander.

„Sein Mitgefangener Thomas C. (45) verbüßt zurzeit eine dreijährige Haftstrafe und bewohnt in der Justizvollzugsanstalt die Zelle gegenüber dem Angeklagten. “ – Thomas C. war in den ersten drei Monaten des Jahres zwischenzeitlich in Waldeck inhaftiert. Seit Verlegung im Frühjahr diesen Jahres ist der Häftling allerdings in die JVA Bützow überstellt worden.

„Auch wäre der Polizeisportverein in Schwerin beobachtet worden, in dem fast alle Beamten trainieren.“ – Die Zeiten in denen der Verein Dynamo Schwerin – welcher im Prozess ganz explizit mit diesem Namen benannt wurde – in erster Linie ein Polizeisportverein gewesen ist, sind mit dem Fall der Mauer im Jahre 1989 nun schon einige Jahre dahin.

„Der Zeuge berichtete weiter, dass der Angeklagte über Freunde die private Umgebung des Vorsitzenden Richters, den er als „seinen persönlichen Feind“ betrachte, ausspionieren ließ. Er habe ein Foto gesehen, das den Richter im Garten zeige, so Thomas C. “ – Der Zeuge hat dies nicht berichtet, sondern lediglich behauptet. Allerdings konnte der auf wiederholtes und drängendes Nachfragen des Richters seine Angaben kaum plausibilisieren. So konnte der als Zeuge aussagenden Informant des Staatsschutzes über das Foto, das er angeblich gesehen haben will, auf Nachfragen des Vorsitzenden Richters keinerlei detaillierte Angaben machen. Bereits am 28.07. hatte die Journalistin in der NNN zudem berichtet, dass ein solches Foto bei der Zellendurchsuchung des Angeklagten nicht gefunden wurde.

Weitere fehlerhafte Darstellungen finden sich in den vergangenen Berichten der Journalistin. Bei der „schwere[n] Verletzung des Polizisten“ (5.Juni 2015) handelt es sich nach Darstellung eines Amtsarztes im Zeugenstand um ein Hämatom, umgangssprachlich auch „blauer Fleck“ genannt.

Aus einer am Rande eines früheren Prozesstages getätigten Mitteilung des Oberstaatsanwalts zu einem neuen Fall in Saarbrücken, bei dem ein Anfangsverdacht einer Straftat derzeit geprüft (!) würde, leitet die Journalistin am 28.07. die irreführende Konsequenz ab, dass es für den Angeklagten so langsam eng werde. Im aktuellen Verfahren geht es allerdings ausschließlich um Fussballspiele, welche in Rostock stattgefunden haben. Dies wurde auch von der Anklage betont, jedoch anscheinend nicht von allen Anwesenden wahrgenommen.

In ihrem Artikel zum Verhandlungstag am 31.07. schrieb die Journalistin von Filmaufnahmen, in denen ein Mann „mit grüner Windjacke und Strickmütze“ zu sehen sei, der eine „prallgefüllte Tüte“ übergibt. Immer und immer wieder wurden an diesem Tage dieselben Videosequenzen den verschiedenen Zeugen vorgespielt. Anschließend befragte die Kammer und der Staatsanwalt, sowie die Anwälte der Verteidigung die Zeugen. In der besagten Videosequenz ist allerdings nur ein Mann zu sehen, der mit einer schwarzen Jacke bekleidet ist und halbleere Plastiktüte unbekannten Inhalts übergibt.

Berichterstattung darf im Dienste der öffentlichen Meinungsbildung durchaus zuspitzen. Die Zuspitzung kippt jedoch dann, wenn die Unschuldsvermutung für den Angeklagten in einem noch laufenden Verfahren nicht mehr gilt. Zu Pointieren, ohne einer Vorverurteilung Vorschub zu leisten, gehört zu den Qualitätskriterien, die den professionellen Journalismus von einer bloßen Meinungsäußerung unterscheiden. Bei der Verbreitung von Falschmeldungen wird allerdings eine Grenze überschritten. So faszinierend bestimmte Gerichtsverfahren bisweilen seien mögen, die Unterscheidung zwischen der Informationsfunktion journalistischer Arbeit und der Unterhaltungsfunktion von Kriminalromanen sollte unbedingt gewahrt bleiben.

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