Ein Hauptbelastungszeuge und differenzierter Lügner

Am 27.11.2018 traf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH), der über die Revision des Urteils vom Landgericht im Mai 2016 bescheiden sollte, ein. Obwohl das Urteil ein Ausstellungsdatum vom 24.10.2018 aufweist, wurde es also erst einen Monat später den Prozessbeteiligten zugestellt. Der Zeitpunkt der Zustellung hätte passender nicht sein können, fand doch in den darauf folgenden Tagen die Innenministerkonferenz (IMK) in Magdeburg statt, auf der sich die Innenminister mit Strafverschärfungen gegen Linke und Fussballfans gegeseitig übertrumpften.*

Alle formalen Mängel, die Schubis Verteidigung im Sommer 2016 in der Revision auf über 700 Seiten zusammenfasste, wurden in einer nur wenige Seiten kurzen Begründung zurückgewiesen. Die von der Verteidigung beanstandete Besetzung des Schöff*innengerichts war für die Richter*innen am BGH kein ausreichender Grund, um die Revision zuzulassen. Stattdessen wurde dem Landgericht Rostock Recht gegeben. Der BGH unterstütze damit in seiner Begründung ein Urteil, das ausschließlich auf Indizien und Aussagen eines Hauptbelastungszeugen basiert. Thomas C., der sich während Schubis U-Haft dem Verfassungschutz in MV angedient hatte, wäre ein glaubwürdiger Zeuge, dem Schubi eine der Taten gestanden hätte, so die Auffassung des Landgerichts. Alles spricht dafür, dass der Hauptgrund, warum Schubi verurteilt wurde, nicht objektive Beweise, sondern die Aussagen eines mehrfach vorbestraften, zum Zeitpunkt seiner Aussage in Haft sitzenden und als psychisch auffälligen Mannes waren. Continue reading

Revision und ein Präzedenzfall

Anfang August, drei Monate nach Schubis Verurteilung zu vier Jahren und fünf Monaten Haft, hat das Landgericht das schriftliche Urteil fertiggestellt. Auf 176 Seiten breitet die Kammer aus, warum sie Schubi verurteilt hat. Wie im Rest des Verfahrens, hat die Kammer dabei Fehler gemacht. Den Verfahrensbeteiligten wurden unterschiedliche Versionen des Urteils zugestellt. Auf der einen hatte alle drei Richter_innen unterschrieben, auf der anderen nicht, weil ein Richter in Elternzeit gegangen sei. Unterschiedliche Urteilsversionen sind jedoch aus naheliegenden Gründen unzulässig und so wäre die Zustellung formal ungültig gewesen. Das fiel auch dem Gericht auf, weshalb es das Urteil einige Wochen später vorsichtshalber noch einmal zustellte – diesmal einheitlich.

Mit dem schriftlichen Urteil konnten Schubis Verteidiger_innen nun die Revisionsbegründung vorbereiten. Am 9. September wurde die 600-seitige Schrift beim Rostocker Landgericht eingereicht. Nun muss unter anderem die Bundesanwaltschaft zum Verfahren Stellung nehmen, bevor der Bundesgerichtshof über die Revision entscheidet. Wann das sein wird, ist vollkommen offen. Wahrscheinlich irgendwann 2017.

Doch warum ist die vom Landgericht verschlampte Urteilszustellung wichtig? Weil die vierwöchige Frist, innerhalb der die Revisionsbegründung durch Schubis Verteidigung eingereicht werden musste, ab der Zustellung des Urteils lief. Eigentlich müsste die Frist mit der erneuten Zustellung des Urteils auch erneut begonnen haben, doch für so einen Fall gibt es bisher keine höchstrichterliche Rechtssprechung. Trotzdem mussten die Anwält_innen aber mit der „neuen“ Urteilsversion arbeiten, so dass die Vier-Wochen-Frist durch diesen Gerichtsfehler defacto weiter verkürzt wurde. Der Bundesgerichtshof wird wohl auch darüber zu befinden haben, ob eine Revisionsfrist mit Neuzustellung des Urteils erneut beginnt. Was wie trockener Jurakram klingt, bedeutet, dass daraus ein Präzedenzfall mit bundesweiten Auswirkungen werden könnte.

Auch wenn es gerade etwas ruhiger um Schubi wird, ist das Verfahren also nicht beendet. Wir sammeln weiterhin Spenden für die Prozesskosten – spendet für Schubi!

„Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet“*

Nach 30 langen Verhandlungstagen ging am 2. Mai der Prozess gegen Schubi am Landgericht Rostock zu Ende. Die Kammer verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von 4 Jahren und 5 Monaten.

Die Urteilsbegründung

In der etwa einstündigen Verlesung der Urteilsbegründung richtete der Vorsitzende Richter eine längere Eingangsrede an den Angeklagten und das Publikum. Die ca. 100 Besucher_innen reagierten darauf wiederholt mit Zwischenrufen. In seiner Ansprache avancierte der Richter zu einem wahren „Extremismus“-Kenner. Gewalt gegen öffentliche Bedienstete sei nicht hinnehmbar, so der Richter. Er begründete dies damit, dass „Angriffe auf Polizeibeamte oder auch zum Beispiel auf Feuerwehrleute die brennende Asylbewerberheime beschützen, … nicht zu tolerieren“ seien. Und mit Angriffen auf Asylunterkünfte kennt er sich aus: Er war es, der die beiden Neonazis Thomas Hocke und Florian Hillner Anfang des Jahres wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung zu einer minimalen Haftstrafe von 5 Jahren verurteilt hatte, nachdem sie im Oktober 2014 versucht hatten, eine bewohnte Unterkunft in Groß Lüsewitz (Landkreis Rostock) mit Molotow-Cocktails in Brand zu setzen. Für den Richter sind rechte und linke „Hetzer“ gleich.

Er unterstellte Schubi Hass gegen Polizei und Staat, den dieser bei Fußballspielen ausgelebt habe. Dies begründete er mit dessen antifaschistischer Haltung und Funden aus Schubis Wohnung, wie etwa linken Plakaten. Obwohl es mit der Anklage nichts zu tun hatte, warf das Gericht Schubi erneut vor, Fluchthilfe unterstützt zu haben. Auf eine entsprechende Anweisung der Polizei hätte er in seiner Tätigkeit als Schiffsoffizier entgegnet, dass er sich nicht an Abschiebungen beteilige – ein wahrer Staatsfeind eben, so soll man die Thematisierung dieser Episode in Prozess und Urteilsverkündung wohl interpretieren. Vom Publikum erhielt Schubi dafür langen Applaus, das Gericht hatte jedoch nur Missbilligung für ihn übrig.

Ein Steinwurf auf den Nebenkläger, der dabei leicht verletzt wurde, wurde mit einer Einzelstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten bestraft. Die harte Strafe, die sogar noch sechs Monate über der Forderung der Staatsanwaltschaft liegt, wurde unter anderem mit der Geschwindigkeit begründet, die der Stein beim Aufprall gehabt haben soll. Empörte Zwischenrufe wiesen darauf hin, dass vor 6 Jahren am gleichen Landgericht ein Neonazi einen Feuerlöscher von einer Empore aus mehreren Metern Höhe auf Antifaschist_innen geworfen hatte (die, nebenbei bemerkt, keine Körperschutzausrüstung angelegt hatten). Damals wurde der sogenannte Pölchow-Prozess vor Gericht verhandelt. Der Neonazi, der damals den Feuerlöscher geworfen hatte, war straffrei davon gekommen. Der Vorsitzende Richter in Schubis Verfahren wiegelte den wütenden Einwurf des Prozessbeobachters damit ab, dass er sich um diesen Vorfall später kümmern werde.

Die Polizist_innen, die auf richterliche Anordnung seit dem achten Verhandlungstag im Juli letzten Jahres im Gerichtssaal verweilen um die richterliche Hoheit im Saal durchsetzen zu können, beobachteten das Publikum derweil. Eine Polizistin versuchte mehrfach Personen während der Verhandlung abzufilmen, versteckte die Kamera jedoch, wenn sie dabei beobachtet wurde. Bereits im Juli hatten Prozessbeobachter_innen bemerkt, dass Polizist_innen im Gerichtssaal Filmaufnahmen gemacht hatten, was damals durch die Verteidigung beanstandet wurde.

Auch die Verteidigung griff der Vorsitzende Richter an, indem er dieser vorwarf, die Kammer mit „dumpfen Populismus“ bewusst diskreditiert zu haben. Insbesondere die Einschätzung der Verteidigung in ihren Plädoyers, dass an Schubi aus politischer Überzeugung ein Exempel statuiert werden solle, schien dem Vorsitzenden nicht gefallen zu haben.

Das Urteil

Wegen versuchter und vollendeter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Verstößen gegen das Vermummungsverbot wurde Schubi zu einer Haftstrafe von 4 Jahren und 5 Monaten verurteilt. Weiterhin muss er 300 Euro (!) Schmerzensgeld an den Nebenkläger, einen Polizisten der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) zahlen, der von einem Steintreffer eine Rippenprellung davon getragen hatte. Die Kammer hatte „keinen Zweifel“, dass Schubi, trotz der schwachen Beweislage, der Täter sei, der beim Spiel des FC Hansa Rostock gegen Dynamo Dresden im November 2014, Steine auf Polizeibeamte geworfen hatte. Für die Tatvorwürfe vom Spiel des FC Hansa Rostock gegen RB Leipzig wurde er hingegen freigesprochen, weil ihm keine Würfe nachgewiesen werden konnten.

Bei beiden Spielen bestanden die Beweismittel vor allem aus Videomaterial der Polizei, das überhaupt nur schleppend in das Verfahren eingeführt wurde. Der Unterschied, warum die Kammer die Beweislage beim Spiel gegen Dynamo Dresden anders bewertet, ist der ehemalige Mithäftling und Zeuge Thomas C.. Im Sommer 2015 hatte er sich an den Verfassungsschutz MV gewandt und „Bericht erstattet“. Er behauptete, Schubi habe die Vorwürfe vom Spiel gegen Dresden ihm gegenüber zugegeben. Außerdem versprach C. „Erkenntnisse“ über die linke Szene in Rostock. Der von einer Sachverständigen vor Gericht als „pathologischer Lügner“ klassifizierte C. avancanierte damit zum Hauptbelastungszeugen, dessen Glaubwürdigkeit für die Kammer durch nichts, aber auch rein gar nichts zu erschüttern war.

Die Gesamtstrafe von 4 Jahren und 5 Monaten liegt nur oberflächlich betrachtet unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten 4 Jahren und 9 Monaten. Deren Forderung bezog sich auf alle fünf Anklagepunkte, verurteilt wurde Schubi nun nur wegen drei Anklagepunkten. Damit ist das Gericht bei der Strafzumessung im Grunde über das von der Anklage geforderte Strafmaß deutlich hinaus gegangen. Schubis Verteidigung hatte einen Freispruch sowie Entschädigung für die U-Haft gefordert und kündigte an, Revision gegen das Urteil einzulegen.

*Fußnote: Matthäus 7:1 – Eines der bei Schubi gefundenen und in der Urteilsverkündung thematisierten Plakate zeigt ein Zitat („Der Mensch ist am wenigsten er selbst, wenn er in seiner eigenen Person spricht. Gib ihm eine Maske und er wird dir die Wahrheit sagen“), dessen Urheber Oscar Wilde der Richter allerdings unter den Tisch fallen ließ. Stattdessen sollte der Spruch wohl Schubis angebliche Bereitschaft zur Vermummung und Gewaltausübung gegen Polizist*innen illustrieren – oder so. Da die Zitatrecherche offensichtlich nicht zu den Stärken der Kammer gehört, haben wir in diesem Fall den Urheber gleich mitgeliefert.

Erneute Kritik am Prozess: Plädoyer der Verteidigung II

Am Donnerstag, den 28.04.2016, hielt Schubis Pflichtverteidiger sein Plädoyer und forderte einen Freispruch für seinen Mandanten. Wie bereits am Montag, ließ allerdings auch der zweite Verteidiger erkennen, dass er nicht an ein gerechtes Urteil der Kammer gegen Schubi glaube. Stattdessen legte er seinen Eindruck dar, dass an Schubi ein Exempel statuiert werden solle. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass bis heute für die angebliche Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) des Nebenklägers kein Gutachten eines für solche Diagnosen zugelassenen Experten vorliegt.

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Plädoyers verlesen – Schubi soll über 4 Jahre in Haft

Nach fast 30 Prozesstagen geht Schubis Verhandlung dem Ende entgegen. Am 25. April wurden die Schlussplädoyers gehalten. Die Staatsanwaltschaft forderte vier Jahre und neun Monate Haft, Schubis Verteidigung einen Freispruch. Ein Urteilsspruch könnte bereits am 28. April folgen.
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Protokollierung vor Gericht

Der Prozess gegen Schubi geht nach über 20 Verhandlungstagen langsam dem Ende zu. Mehrere Dutzend Zeug_innen und Sachverständige wurden seit Juni 2015 vor Gericht gehört.

Erst nach über einem halben Jahr gelang es der Verteidigung Einsicht in größere Teile des Videobeweismaterials zu erstreiten. Zuvor waren von der Staatsanwaltschaft und dem Gericht nur zusammengeschnittene Videoschnipsel bereit gestellt worden, die vermeintlich ein und denselben Täter zeigen sollten. Die Übereinstimmungen der Personen wurden anhand einer blauen Jeans, einer dunklen Jacke, Vermummung und schwarzen Schuhen fest gemacht. Auf dem zunächst zurückgehaltenen Videomaterial, ist zu sehen, wie mehrere hundert Personen diese szenetypischen Kleidungsmerkmale aufweisen. Die Hinweise der Verteidigung, dass damit keine eindeutige Identifizierung des Täters bzw. der Täter mit Schubi möglich sei, wies das Gericht jedoch damit zurück, dass Schubi ja unter den etwa 200 Personen mit den gleichen Merkmalen wie die Täter bzw. der Täter sein könne und damit seine Unschuld nicht zweifelsfrei zu beweisen sei.

Eine Sachverständige der Universität Freiburg, die in ihrem ihrem anthropologisch-morphologischen Gutachten das Videomaterial der Polizei mit Lichtbildern von Schubi verglich, kam zu dem Schluss, dass eine Übereinstimmung der Täter mit Schubi nur „möglich“ sei. Die Kategorisierung der Übereinstimmung als „möglich“ stellt in der fünfstufigen Skala das schlechteste Ergebnis vor dem Ausschluss der Übereinstimmung dar (mit höchster Wahrscheinlichkeit identisch, mit hoher Wahrscheinlichkeit identisch, wahrscheinlich identisch, Identität möglich und Identität abgelehnt). Selbst die Sachverständige bestätigte vor Gericht, dass voraussichtlich eine gleich hohe oder sogar noch höhere Übereinstimmung der Täter mit hunderten anderen Fans im Stadion zu finden wäre.

Die Videos zeigten laut der Verteidigung darüber hinaus, dass Aussagen einiger Polizeizeug_innen nicht mit dem dokumentierten Geschehen auf den Aufnahmen übereinstimmen. Das Beweiskonstrukt gegen Schubi schien damit ins Wanken zu geraten. Voraussichtlich auch deshalb griff die Anklage dankend einen neuen Zeugen auf, der sich nach Eröffnung der Hauptverhandlung von sich aus als Zeuge angeboten hatte. Der ehemalige Mithäftling Thomas C. ließ verlautbaren, dass er Angaben zu den Vorwürfen gegen Schubi und der linken Szene in Rostock machen könne. Zwei Mal wurde er vor Gericht gehört. Zwei Verhandlungstage unterhielt er das Gericht mit seinen verworrenen und von Abschweifungen begleiteten Ausführungen. An beiden Tagen protokollierten Prozessbeobachter_innen und die Verteidigung die Ausführungen des Hauptbelastungszeugen. Auch das Gericht schien sich seine Notizen zu machen, die letztlich in einen Beschluss über die Ablehnung eines Beweisantrages der Verteidigung vom 07.12.2015 einflossen, in dem die Verteidigung u. a. die Glaubwürdigkeit des Zeugen C. angezweifelt hatte. Die Ausführungen des Gericht lassen jedoch den Eindruck aufkommen, dass die Prozessbeobachter_innen und Kammer des Landgerichtes jeweils bei einer anderen Vernehmung gewesen zu sein schienen.

Die bizarre Aussage des Hauptbelastungszeugen

Wir möchten an dieser Stelle nur auszugsweise die Aussagen des Zeugen C. wiedergeben. Einerseits wäre die gesamte Wiedergabe aufgrund der Verworrenheit der Aussagen nur schwer möglich, andererseits wollen wir die Unwahrheiten, die der Zeuge vor Gericht zu Gehör gebracht hat, nicht weiter verbreiten.
Der Zeuge Thomas C. gab vor Gericht wieder, dass das Tatwerkzeug, mit dem auf die Polizist_innen beim Risikospiel des FC Hansa Rostock gegen den Dynamo Dresden geschädigt worden sein sollen, eine Betonplatte gewesen sei, die durch Freunde von Schubi in einem Rucksack in das Stadion transportiert worden sei (sic!). Er berichtete ebenso, dass es vor dem Wurf, der zunächst als versuchter Totschlag an einem Polizisten in die Anklageschrift eingegangen ist, eine „andere Aktion von Anderen auf einer Brücke“ gegeben habe. Bei dieser „Aktion“ sei ein Polizist geschädigt worden. Schubi selbst sei laut dem Zeugen danach auf die Brücke (gemeint ist hiermit vermutlich der Zugang zu den A-Blöcken) gelaufen und habe von oben die besagte Betonplatte geworfen. Während er bei der ersten Vernehmung vor Gericht noch davon spricht, dass durch diesen Wurf der Helm und das „Schutzschild“ eines Polizisten getroffen worden sein sollen, vermochte er bei seiner zweiten Aussage nicht mehr zu sagen, ob durch diesen Wurf die Polizeikräfte getroffen wurden. Der Zeuge traf weiterhin die Aussage, dass sich für ihn die Situation angehört habe, als ginge es um spielerisches Dosenwerfen. In Bezug auf ein angebliches Foto des vorsitzenden Richters aus dessen Privatleben, dass das Ausspähen des Richters durch Unterstützer_innen von Schubi belegen sollte, schilderte der Zeuge, dieses im März zu Gesicht bekommen zu haben. Im Juni hatte C. bereits gegenüber dem Staatsschutz geäußert, dass es sich bei dem Richter auf dem vermeintlichen Foto um den vorsitzenden Richter in Schubis Verhandlung handle. Vor Gericht sagte er jedoch aus, dass ihm die Übereinstimmung erst am 14.09.2015 aufgefallen sei, als er ein zweites Mal als Zeuge in Schubis Verfahren vernommen wurde und das obwohl er erst einen Monat zuvor selbst als Angeklagter vor eben diesem Richter vor Gericht stand.

Wenn das Gericht eine „geschlossene“ Aussage konstruiert

In einem Beschluss über die Ablehnung eines Beweisantrages der Verteidigung ist jedoch nichts von diesen Ausführungen des Zeugen zu vernehmen. Weder davon, dass eine Betonplatte in einem Rücksack in das Fussballstadion transportiert worden sein soll, noch dass andere Personen beim Fußballspiel des FC Hansa Rostock gegen Dynamo Dresden Beamte angegriffen hätten oder laut Aussage des Zeugen Schubi zu anderen Angreifer_innen hinzugekommen sei, wird in dem Beschluss dargelegt. Das Gericht lässt damit ein weiteres Mal außer Acht, dass es sich wohlmöglich nicht um einen einzelnen Täter handelt. Teile der getätigten Zeugenaussage werden einfach von den Richter_innen vernachlässigt. Andere Aspekte in den Aussagen des Zeugen C. werden verdreht wiedergegeben. Aus der Wahrnehmung des Zeugen, dass er sich bei den angeblichen Schilderungen des Angeklagten ein Dosenwerfen vorgestellt habe, macht das Gericht, dass Schubi selbst die Ereignisse am Spieltag als harmloses Dosenwerfen abgetan habe. Die Spekulationen um das angebliche Richterbild, was jedoch nie gefunden wurde und zu dem der Zeuge C. unterschiedliche Angaben machte, wann er die angebliche Übereinstimmung mit dem vorsitzenden Richter in dem Strafverfahren gegen Schubi erkannt haben will, lässt das Gericht völlig außer acht. Trotz der Widersprüche macht das Gericht in seinem Beschluss deutlich, dass der ehemalige Mithäftling für sie ein glaubwürdiger Zeuge sei, der „ruhig und sachlich“ eine „geschlossene“ Aussage gemacht habe, ohne dabei „emotional überschießende Tendenzen“ gegenüber dem Angeklagten aufzuweisen. Und das, obwohl der Zeuge mit der Schilderung des Tathergangs und des Tatwerkzeugs eindeutig dem widerspricht, was auf den Videoaufnahmen zu sehen ist, bzw. was die Polizei als Tatwerkzeug dokumentiert hat. Dass dies eigentlich gegen Täterwissen des Zeugen C. sprechen würde, bedenkt das Gericht nicht.

Problematische Regelungen in der Strafprozessordnung

Wie es möglich sein kann, dass ganz offensichtlich Teile von Aussagen von Belastungszeug_innen vor dem Landgericht im Laufe der Verhandlung keine Rolle mehr spielen oder gar umgedeutet werden, lässt sich durch die Regelungen der Strafprozessordnung zur Beurkundung in der Hauptverhandlung erklären. Darin ist zwar geregelt, dass wesentliche Ereignisse vor Gericht wie solche bei einer Vernehmung zu Protokoll gegeben werden müssen (Strafprozessordnung § 273 Beurkundung der Hauptverhandlung). Das bedeutet jedoch nicht, dass ein wortgetreues Protokoll über die Aussage der Zeug_innen erstellt wird. Dass dadurch der Willkür Tür und Tor geöffnet werden können, zeigt der Fall Schubi.

„Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause – JVA“ Teil II

Wie gestern bekannt wurde, hat der BGH einen Richter des Landgerichts Rostock für befangen erklärt. Grund ist ein Bild, dass der besagte Richter auf seinem privaten Facebook-Profil veröffentlicht hatte. Auf eben diesem Bild ist ein Mann zu sehen, der mit einem Bierglas in der Hand vor einem Haus sitzt und ein T-Shirt trägt, das mit dem Spruch „Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause – JVA“. Aber was hat das mit Schubi und seinem Verfahren zu tun? Continue reading

Mord ist ihr Hobby

Von fehlender Anteilnahme der Lokalpresse an dem am Rostocker Landgericht stattfindenden Prozess gegen Schubi kann keine Rede sein. Für die Norddeutschen Neuesten Nachrichten (NNN) berichtet regelmäßig ein und dieselbe Journalistin. Dabei verbreitet die Zeitung nicht nur eine voreingenommene und identifizierende Berichterstattung – regelmäßig kommt es zu schlichten Falschmeldungen.

In ihrem jüngsten Artikel, einem Bericht über den 11. Prozesstag gibt die ältere Dame mit dem Faible für spektakuläre Kriminalfälle über weite Strecken Behauptungen eines ehemaligen zeitweiligen Mitgefangenen des Angeklagten in einer Form wieder, die diese als Tatsachen erscheinen lassen. Allerdings geraten der passionierten Gerichtsreporterin selbst dabei die Fakten durcheinander. Continue reading

Über die bedenklichen Parallelen zu Dresdener Justizskandalen

Weit im Vorfeld der Eröffnung der Hauptverhandlung am Rostocker Landgericht hatten Schubis Verteidiger einen umfassenden Einblick in die Ermittlungsakte beantragt. Trotz der großen Menge von Videoaufzeichnungen, hatten die Rechtsanwälte allerdings nur einige, kleinere Zusammenschnitte erhalten, welche den mutmaßlich einen und selben „Intensivtäter“ beim Begehen von Straftaten im Rahmen der Spiele des FC Hansa Rostock zeigen soll. Aus diesen Zusammenschnitten wird wenig über die Umstände des dort gezeigten Geschehens ersichtlich. Daher beantragte die Verteidigung abermals nach der Eröffnung des Prozesses am Rostocker Landgericht endlich einen vollumfassenden Einblick in die Akte zu bekommen, um der Wahrung der Rechte des Angeklagten auf einen fairen Prozess durch eine rechtmäßige Verteidigung nachkommen zu können. Continue reading