Was hat das mit Politik zu tun?

Der Fall Schubi ist im Vergleich zu laufenden wie auch im Rückblick auf vergangene Verfahren vielleicht ’nur‘ einer von vielen. Und für die eine oder den anderen mag sich auf den ersten Blick der  politische Kontext noch nicht erschlossen haben. Dazu tragen unter anderen auch die bisherigen Medienberichte bei, die ihn schnell als schuldigen Hooligan abgeurteilt haben. Dieser Artikel soll die politische Dimension dieses Verfahrens aufzeigen, und verdeutlichen, dass der Fall Schubi ein Angriff auf einen von uns und damit ein Angriff auf uns alle ist.

Nach fast neumonatiger U-Haft zieht der Fall von Schubi allmählich seine Bahnen. Die wachsende Unterstützung von Personen sowohl aus Fußball- wie aus explizit antifaschistischen Kreisen, freut uns und vor allem Schubi sehr. Dass die Kriminalisierung antifaschistischen Handelns nicht neu ist, wissen wir, aber derzeit lässt sich von einer Repressionwelle sprechen: Erinnert sei hier an Valentin und Genoss_innen in Bremen, an Paul in München oder auch an Joel aus Stockholm, der nach wie vor wegen der Verteidigung gegen ein Angriff von Neonazis wegen versuchten Mordes einsitzt. Nun mögen sich einige fragen, inwiefern Schubis Fall in dieselben oder ähnliche Zusammenhänge eingeordnet werden kann oder sollte. Nach dem Motto: Fußball ist Fußball und Politik ist Politik? Ist Schubi da nicht einfach ein Fußballfan, dem eine Straftat gegenüber Bullen im Zusammenhang mit Spielen des F.C. Hansa Rostock vorgeworfen werden? Mitnichten.
  
„Politische Erfahrung kann man nicht wie einen Fußball abgeben“
Ähnlich wie Genoss_innen aus Berlin dies neulich in einem Interview formulierten, gilt das wohl für jede_n von uns. In Fast allen Bereichen unseres Lebens – auf der Arbeit, in der Schule oder Uni, in der Familie, unter Freunden oder auch in der eigenen Szene – müssen Positionen individuell oder kollektiv ausgehandelt werden. Ob das nun die Beleidigung des Chefs, die gegen einen selbst oder eine Kollegin oder einen Kollegen gerichtet ist, ob dies chauvinistische Sprüche des Vaters, ein latenter Kulturrassimus des Kumpels oder die niveaulosen Äußerungen auf einer eskalierenden Party sind. Jede_r von uns macht diese Erfahrungen und kann sie mal mehr, mal weniger gut mit dem eigenen politischen Anspruch in Einklang bringen. Ein politisches Selbstverständnis haben, heißt dann vor allem, sich diesen Herausforderungen zu stellen und nicht immer nur in seiner Wohlfühl-Umgebung zu verbleiben, in der darüber weggesehen wird.
Mögliche Argumente, wie, dass sich ein „politisches Ich“ nicht mit bestimmten Fußballvereinen vereinbaren lasse, verkennen existierende Realitäten und schaffen identitäre Kategorisierungen. Da Fußball eben nicht Fußball und Politik eben nicht nur Politik ist, ist es durchaus möglich ein antifaschistischer Hansa-Fan zu sein, wie der Fall Schubi zeigt. Mehr noch: Auch die Fußballszene kann, nein sie sollte, ein Ort linker Intervention sein. Dass dies, wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen, eine mühselige Aufgabe ist, die nichts mit dem Erhalt einer Wohlfühl-Umgebung zu tun hat, wissen alle, die rassistischen, homophoben oder sexistischen Sprüchen contra bieten.

„Keine Naziklamotten auf der Piste“ – Politik im Knast

Dass Schubi nicht ’nur‘ irgendein Fußballtyp ist, zeigt sich auch im Knast. So werden inhaftierte Neuankömmlinge von anderen Mitgefangenen angehalten, beim Ausgang ‚auf der Piste‘ lieber keine Nazi-Klamotten zu tragen, da der Gefangene Schubi hier einsitzt. Ebenso versucht Schubi seit Beginn der U-Haft das isolierende System des Gefängnisses aufzubrechen und  kollektive Rechte zu erstreiten. Im Knast-Alltag versucht er zunehmend eine solidarische Praxis zu etablieren, indem er beispielsweise die im Knast wertvollen Produkte wie Zigaretten oder Kaffee an Mitgefangene ohne Gegenleistung verschenkt und damit die Knast-Hierarchie selbst in Frage stellt. Auch informiert er Mithäftlinge regelmäßig über politische Themen am schwarzen Brett,  woraus sogar eine kollektive Organisierung entstand. So gründete Schubi mit anderen Gefangenen in der JVA Waldeck eine Gefangenengewerkschaft,  die in der GG/BO organisiert ist und mittlerweile das Gefängnis mit den meisten Gewerkschaftsmitgliedern ist. Das ist mehr an politischem Engagement, als manch Andere/r in Freiheit zustande bringt.

„Wie würden Sie Herrn S. denn politisch einordnen?“

Schubis Links-Sein spielt auch in seinem Verfahren eine bedeutende Rolle. Dass Schubis politische Einstellung auch aus Perspektive von Gericht, Staat und Bullen relevant ist, wurde bereits vor der Verhaftung  bei der Durchsuchung von Schubis Wohnung deutlich. Anstatt die im Videomaterial sichtbare Tatbekleidung zu suchen, lässt sich dem  Protokoll entnehmen, dass vielmehr Kleidung, Poster und CDs, die eine  Szenezugehörigkeit und eine politische Einstellung nachzeichnen sollen, gesucht wurden. Auch bei der Vernehmung von Zeugen, sowohl bei  der staatsanwaltlichen Vernehmung wie auch vor Gericht, wurde dezidiert nach Schubis politischer Einstellung gefragt und bei Aussageverweigerung teilweise durch provokative Formulierungen erzwungen.
Ein Höhepunkt der gezielten Repression gegen einen  Antifaschisten bildet die Unterstellung militanter Aktionen durch den Staatsschutz. Über die Zusammenarbeit von Staatsschutz, Verfassungsschutz, Polizei und Gericht in dem Fall von Schubi werden wir in Kürze berichten. 

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