Eine Haft – ein Verfahren – ein Urteil

Vor über vier Jahren wurde Schubis Wohnung durchsucht und er wurde für über ein Jahr in den Knast gesteckt. Bei uns, seinen Freund_innen und Genoss_innen, waren es Momente von Schock, Ohnmacht und Wut. In diesen Jahren ist viel passiert, der lange Gerichtsprozess, seine Freilassung,das Urteil und das lange Warten auf die Revisionsentscheidung vom Bundesgerichtshof. Da Schubi nun seiner Freiheit,seiner Familie, und uns, seinen Freund_innen, entrissen wird, wollen wir einen Rückblick leisten. Dieser Rückblick ist ein Gastbeitrag von einer
einzelnen Person, die die letzten Jahren aus ihrer persönlichen Sicht
schildern möchte.

Gastbeitrag

Die Stunden, Tage und Wochen nach der Inhaftierung einer geliebten und befreundeten Person sind für die draußen Geblieben wie für den/ die Inhaftierte*n eine Zumutung. Es ist dieses Gefühl von Leere, Unwissenheit und Handlungsunmöglichkeit, den diese Repression bewirken soll. Seit Schubis Verhaftung im Dezember 2014 bis zur Verkündung des Haftbefehls vergingen quälende 3 Monate und auch danach waren wir als Unterstützer*innen auch nicht schlauer – die Vorwürfe: versuchter Totschlag durch Steinwürfe während eines Spiels des FC Hansa Rostock, U-Haft wegen Fluchtgefahr. Wir waren fassungslos. Bis es zum ersten Verhandlungstag Anfang Juni 2015 kam, wurden derweil weitere Tatvorwürfe durch die Staatsanwaltschaft hinzugefügt, und der eigentlich erste anberaumte Verhandlungstermin verstrich durch verschlampte rechtzeitige Ladungszustellung durch das Gericht. Auch waren die Laienrichter_innen (Schöff_innen) am Landgericht durch ein unzulässiges Nachrückverfahren falsch besetzt worden, was das Gericht lächerlicherweise dadurch umging, noch einen Schöffen mehr in die Verhandlung zu setzen, anstatt die Wahl rechtmäßig neu anzuordnen. Während dessen las der Richter fröhlich die postalische Korrespondenz zwischen Schubi und seinen Freund_innen und seinen Anwälten mit. Letzteres ist grundrechtswidrig.
Es gingen viele Verhandlungstage ins Land, in denen sich der Richter als Kleiner Mann mit Hut ganz groß als Herr seines Saales inszenierte, solidarische Beobachter*innen des Prozesses mit Oberlehrer-Manier aus den 50er Jahren versuchte zu „maßregeln“ und sich gegen Kritik an seinen eigenen Fehlern in Form von Befangenheitsanträgen oder der Feststellung von Verfahrensfehlern durch die Verteidigung jedes Mal aalglatt verwehrte.
Ich musste oft an Passagen aus dem Geschichtsunterricht denken, wenn die Formulierung „Einem Einzelnen ausgeliefert sein“ im Zusammenhang mit dem MfS (Stasi, DDR) fiel. Im Angesicht des Gerichtssaales begang ich langsam zu verstehen. Die zwei beisitzenden Richter*innen waren neben ihrem buhlenden Oberchef traurige Gestalten, die wohl immer einmal mehr das Maul hielten, um in der Karriereleiter dieses Provinzgerichtes doch noch eine Chance zu haben.
Als dann im September 2015 am zehnten Verhandlungstag Thomas Cho, ein Mitgefangener von Schubi aus der JVA Waldeck, als Topinformant des Verfassungsschutzes M-V auftauchte, war die Posse drehbuchreif. Wenn ein nervöser, psychisch labiler Typ, der in seinem eigenen Verfahren von einer psychologischen Gutachterin als „notorischer Lügner“ bezeichnet wird, wenn eben dieser zum Hauptbelastungszeugen wird, zeigt sich neben der Lächerlichkeit dieses Prozesses doch vor allem: dass Staatsanwaltschaft und Richter_innen nichts hatten. Keine belastbaren Beweise, anthropologische Gutachten die keine Täterschaft nachweisen konnten, Polizeizeugen, deren Aussagen nach genauem Nachfragen mehr als wackelig waren und ansonsten viel Brimmborium um wie schwer der geworfene Stein nun wirklich war.
Die Aussagen des Zeugen Thomas Cho zu Schubi als „Kopf“ einer „roten Zelle“ in Rostock, die großangelegte Straftaten gegen den Staat planen würden, enspringen wohl jedem heimlichen Traum von Staatsschützer_innen und Nachrichtendienstler_innen, die am Abend zuvor den Bader-Meinhof-Komplex mit Moritz Bleibtreu geschaut haben. Statt nach der Wahrheit zu suchen, nutzte das Gericht dieses krude Zeug um die U-Haft weiter mit Schubis angeblicher Gefährlichkeit zu begründen und wollte dieses „linksextremistische“ Verhalten noch weiter untermauern, in dem Schubis ehemaliger Arbeitgeber zu seinem Verhalten während einer Abschiebung an ihrem Arbeitsort befragt wurde. Es zeigte sich jedoch für den Richter leider nur, dass Schubi sich gegenüber der Frau, die nach Schweden abgeschoben werden sollte, solidarisch, also menschlich, verhielt. Als dieses Ereignis in der Urteilsverkündung hervorgeholt und vorgelesen wurde, klatschte der volle Saal und erhob sich als Zeichen der Würdigung von Schubis solidarischer Handlung.
Dass Schubi dann mehr als überraschend am 7. Januar 2016 aus dem Knast entlassen wurde, dürfte niemanden mehr geärgert haben als den Richter, der diesmal mit der Verschleppung des Prozesses selbst den Grund für die Entlassung lieferte. Und niemanden mehr gefreut haben als uns, seine Freund_innen und Genoss_innen. In Freiheit ließ es sich gleich besser ertragen: dieses Urteil vom 4. Mai 2016, das bereits mit Verhandlungsbeginn im Juni 2015 schon festzustehen schien.
Dass dieses Urteil nun vom Bundesgerichtshof nicht kassiert wurde, und all die Besetzung- und Verfahrensfehler damit legal und legitim sind, kostet Schubi nicht nur seine Freiheit, sondern die Juristerei das, was man gemeinhin als Rechtsfrieden bezeichnet.
Als Abschluss so eines Textes folgt eigentlich der große pathosbesetzte Aufruf nach Solidarität mit allen politischen Gefangenen. Ich denke, dass es im Fall von Schubi keine vielen Worte braucht, damit klar ist, dass er von denjenigen, die in Freiheit sind, alles bekommen sollte, was wir geben können: Anteilnahme, politische Thematisierung, Post und Pakete in den Knast und ungeheuer viel Geld, um die Kosten der Verfahrens abzuzahlen und, um sich nach den Jahren im Knast wieder ein Leben aufbauen zu können. Und eine Menge Liebe von seinen Freund_innen und Genoss_innen. Denn auch wenn die Haft nun unausweichlich geworden ist, geben wir nicht auf. Wir machen weiter! Wir vergessen nicht! Freiheit für Schubi!