Vorverurteilung vor dem Urteil

Am 07.12.2015 war es endlich so weit: Die Kammer verlas ihre Stellungnahme zum Beweisantrag der Verteidigung. Darin offenbarte das Gericht einmal mehr, dass das Urteil gegen Schubi bereits festzustehen scheint.

Die Verteidigung hatte am 19. Verhandlungstag einen Antrag gestellt, neues Videomaterial als Beweismittel zur Verhandlung zuzulassen. Mit dem Videomaterial könne belegt werden, dass die Theorie der Anklage, es handle sich zweifelsfrei um ein und denselben Täter, der zudem mit Schubi identisch sei, nicht haltbar ist. Stattdessen seien auf den Videos der Polizeieinheiten beim Spiel gegen Dynamo Dresden 50 bis 100 weitere Personen zu sehen, die gleich viele oder mehr Übereinstimmungen zu den Tätern aufweisen. Auch sei darin zu sehen, dass Polizeizeug_innen in ihren Aussagen vor Gericht bei der Darstellung des Tathergangs gelogen hatten. In dem Antrag der Verteidigung inbegriffen ist die Aussetzung der Hauptverhandlung, um ausreichend Zeit zum Auswerten des Videomaterials zu haben und die Haftaussetzung.
Dazu hatte der Oberstaatsanwalt bereits am 27.11. Stellung genommen. Dieser gab der Verteidigung Recht, dass in dem Videomaterial eine Vielzahl von Personen zu sehen seien, bei denen eine Begutachtung durch eine Sachverständige übereinstimmende Merkmale zu dem Täter bzw. den Tätern finden würde. Dies sei aber nahezu irrelevant, da Polizeizeug_innen und der ehemalige Mithäftling Thomas C. Schubi als Täter identifiziert wissen wollen. Wir erinnern uns, dass die Verteidigung unlängst einen Antrag auf Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Thomas C. gestellt hat, da dieser vor Gericht gelogen und bereits in seiner eigenen Verhandlung wirre Äußerungen gemacht hatte.

Fast einen Monat nach Antragsstellung schlägt die Kammer des Landgerichts nun in die gleiche Kerbe und setzt noch eins drauf. Auch das Gericht sieht in dem Strafgefangenen C., der sich vor Gericht auch zu abseitigen Themen wie Tischtennis und Mickey Maus geäußert hatte, einen der Hauptbelastungszeug_innen, neben den Polizist_innen. Die Kammer begründet die Glaubwürdigkeit des Zeugen ihrerseits damit, dass es nicht bedeuten würde, dass C. als Zeuge gegen Schubi gelogen habe, nur weil er in seinem eigenen Verfahren die Unwahrheit gesagt haben könnte. Gleicher Logik folgt ihre Begründung darüber, ob der Zeuge sich aus seiner Aussage eine Hafterleichterung erhofft habe. Die Beantragung auf vorzeitige Haftentlassung hatte der ehemalige Mithäftling nach seinem Gespräch mit dem Staatsschutz über Schubi eingereicht. Nach seiner letzten Zeugenaussage im Verfahren gegen Schubi hatte C. diese jedoch plötzlich zurückgenommen. Damit sei belegt, dass C. nicht aus eigener Vorteilnahme gehandelt habe, sondern nur sein Gewissen hatte beruhigen wollen.
Auch die Beiziehung des beantragten Videomaterials in die Hauptverhandlung und der damit einhergehenden Aussetzung der Hauptverhandlung lehnt das Gericht ab. In ihrer Begründung lässt das Gericht erkennen, was es unter der Unschuldsvermutung versteht: Selbst wenn „Doppelgänger“ im Videomaterial zu sehen seien, beweise das auch nicht, dass Schubi unschuldig sei. Einer dieser Doppelgänger könnte ja er sein. Jede noch so primitive Erklärung muss der Kammer herhalten, um die Täterschaft von Schubi „zweifelsfrei“ zu belegen. Der Beweis für die vermeintliche Schuld wird dabei allein durch die Möglichkeit einer Täterschaft geführt. Der Angeklagte müsste seine Unschuld beweisen können, um als Täter ausgeschlossen zu sein. Dass damit einmal mehr eine Unschuldsvermutung für Angeklagte außer Kraft gesetzt wird, ist unmittelbar einsichtig. Schubis Verteidigung reagierte darauf ein weiteres Mal mit einem Befangenheitsantrag gegen das Gericht.

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