Erneute Kritik am Prozess: Plädoyer der Verteidigung II

Am Donnerstag, den 28.04.2016, hielt Schubis Pflichtverteidiger sein Plädoyer und forderte einen Freispruch für seinen Mandanten. Wie bereits am Montag, ließ allerdings auch der zweite Verteidiger erkennen, dass er nicht an ein gerechtes Urteil der Kammer gegen Schubi glaube. Stattdessen legte er seinen Eindruck dar, dass an Schubi ein Exempel statuiert werden solle. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass bis heute für die angebliche Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) des Nebenklägers kein Gutachten eines für solche Diagnosen zugelassenen Experten vorliegt.

Gleich zu Beginn seines Plädoyers machte der Rechtsanwalt deutlich, dass er davon ausgehe, dass das Urteil des Gerichts bereits feststehe. Eine Verurteilung vor Gericht sei auch keine Seltenheit. Denn nur 3 % der angeklagten Fälle werden frei gesprochen, so der Anwalt. Dies läge vor allem daran, dass einmal getroffene Entscheidung nicht wieder revidiert werden würden. Aus Sicht der Verteidigung hatte die Kammer des Landgerichts schon mehrfach gezeigt, dass sie nicht bereit ist, von der Schuldzuweisung gegen Schubi abzuweichen, trotz fehlender Beweise. Ein Jahr lang hatte das Gericht die Hauptverhandlung verschleppt. Erst seit April diesen Jahres schien das Gericht aus unerkennbaren Gründen das Verfahren auf einmal beschleunigen zu wollen. Als einschneidenden Verhandlungstag nannte der Anwalt den 13.04., ein Tag an dem die Sitzung von morgens bis 22:30 Uhr gedauert hatte. Aus Sicht des Verteidiger hatte das Gericht damit seine „Fürsorgepflicht“ gegenüber allen Prozessbeteiligten und Bediensteten am Landgericht verletzt, die in dieser Zeit anwesend sein mussten. Er kritisierte ebenso erneut, dass der Verteidigung das Videobeweismaterial nicht in Gänze und zeitnah zur Verfügung gestellt wurde. Schubis Pflichtverteidiger monierte, dass das Gericht lieber den Lügen des Zeugen Thomas C. glaube, als das Videomaterial umfassend auszuwerten. Der Rechtsanwalt hinterfragte weiterhin, warum sich der Zeuge Thomas C. mit seiner belastenden Aussage an den Verfassungsschutz (VS) in MV gewandt hatte. Vor Gericht und in einem psychologischen Gutachten hatte dieser Zeuge zu erkennen gegeben, dass er politisch anders denke, als der Angeklagte. Schubis Verteidiger sah darin das Motiv, warum er sich an den VS gewandt hat. Wäre es ihm allein um die Tat gegangen, hätte er sich an das Gericht oder die Polizei gewendet, so der Pflichtverteidiger.

Weiterhin kritisierte er die Staatsanwaltschaft, die in ihrer Begründung der langen U-Haft von Schubi eine Neigung zu Verschwörungstheorien erkennen ließe. Um Schubi in Haft zu halten, hatte die Staatsanwaltschaft Schubi als einen politischen Täter gezeichnet und dafür auf die Aussagen des VS-Informanten C. und der umfangreichen Literatursammlung des Angeklagten in seiner Zelle zurückgegriffen. Daraus konstruierte die Staatsanwaltschaft letztlich ein absurdes Konglomerat einer politischen Haltung, die von den Roten Brigaden bis Stauffenberg reichen sollte, auf Grund derer der Angeklagte in U-Haft bleiben müsse, da ansonsten ein Untertauchen in den Untergrund zu erwarten sei. Am Montag hatte Schubis Wahlverteidiger bereits darauf hingewiesen, dass damit Schubi zu Unrecht seiner Freiheit beraubt wurde.

Wie auch in anderen Strafverfahren so ist auch in Schubis Verfahren eine Deutungshoheit der Polizei erkennbar. Der PTBS-Polizist und Nebenkläger hatte selbst das Strafverfahren wegen versuchten Totschlags eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft übernahm diesen Vorwurf, ohne dies noch einmal zu überprüfen und stufte erst nach Sichtung des Videomaterials in der Hauptverhandlung den Vorwurf des versuchten Totschlags auf eine gefährliche Körperverletzung zurück. Ohne den Vorwurf des versuchten Totschlags wäre Schubis Verfahren jedoch vor dem Amtsgericht behandelt worden und hätte nach Ansicht seiner Verteidiger nicht ein Jahr gedauert. Zudem berichtete Schubis Pflichtverteidiger von vergleichbaren Verfahren, wo ein Angeklagter trotz Vorstrafe bei einem ähnlichen Vorwurf und Beweislage nur auf Bewährung verurteilt wurde. Nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft ist nicht davon auszugehen, dass Schubi ebenfalls mit einer Bewährungsstrafe davon kommt, obwohl er keine Vorstrafen aufweist.

Zuletzt kritisierte der Verteidiger die Darstellung des Nebenklägers als „schwer verletzt“ wie es sowohl in der Presse als auch vor Gericht immer wieder geheißen hatte. Er machte deutlich, dass es sich bei einer Rippenprellung nicht um eine schwere Verletzung handle. Zudem stellte er die Diagnose der PTBS in Frage. Diese dürfe nämlich nur durch Psycholog_innen oder Psychiater_innen mit Spezialkenntnissen in Traumafolgestörungen diagnostiziert werden. Im Falle des geschädigten BFE-Polizisten hatte diese Diagnose jedoch der Allgemeinmediziner und Polizeiarzt vermutet. Ein psychologisches Gutachten des Polizisten, das eine PTBS hätte belegen können, läge indes nicht vor.

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